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20.12.2011

Sambia- der Löwe Afrikas Teil1

So nennen die Einheimischen hier ihre Heimat- zumindest stand es so auf einem Werbeslogan. Teils aufgrund zahlreicher Aktivitäten , teils wegen langsamer Internetverbindung  war ich gezwungen, den Blog über Sambia bis jetzt aufzuschieben.
Ich bin noch immer überwältigt von den vielen Eindrücken, die sich im letzten Monat angesammelt haben.
Angefangen hat alles damit, dass mir die mosambikanische Immigrationsbehörde in Nampula eine Woche vor geplanter Verlängerung des Visums offenbart hat, dass mein Visum ein multiple entry visum ist  und man deswegen nicht die Option einer Ein,- und Ausreise hat, sondern dass man alle 30 Tage ein,- und ausreisen muss. Irgendwie habe ich das schon geahnt, da man ja hier immer auf alles und vor allem auf den worst case gefasst sein muss. Und in Mosambik gelten nicht die international üblichen Regeln und Vorschriften, sondern nur die eigenen. Und die können irgendwie aus der Luft geholt sein. „Hier ist ist nun mal wie es ist. In Angola ist es mit den Immigrationsbehörden noch schlimmer, also seid froh, dass ihr in Mosambik seid!(Aussage eines Kollegen im national office von WV)!“
So habe ich kurzentschlossenerweise entschieden, einen einmonatigen Abstecher nach Sambia zu machen, um einen ehemaligen Arbeitskollegen aus Hamburg zu treffen, der  seit ein paar Monaten hier wohnt und für "Solidarmed" als Ausbildungarzt für die sogenannten "Medical licenciates" arbeitet. Das ist ein Programm für medizinisches Personal, das schon seit längerem in einem Krankenhaus am Land in der Pflege und letzendlich als clinical officers gearbeitet hat und aufgrund des eklatanten Ärztemangels in den ländlichen Gegenden in einem 4- jährigen Ausbildungsprogramm zu "kleinen Ärzten" ausgebildet wird.  



Natürlich gab es keinen Direktflug von Nampula nach Lusaka, sondern nur Flüge über Südafrika (Joburg). Bus wollte ich mir nicht antun, denn die fahren über Malawi, und da braucht man noch ein weiteres Visum als Österreicher- also habe ich auf dieses Abenteuer aufgrund Angst vor weiterer Immigrationsschwierigkeiten und vor langer Reisezeit verzichtet. Ich bin am 25. November von Nampula weggeflogen (mit Abschiedsgruss des Immigrationsbeamten:"Na, da haben sie aber Glück gehabt, dass nicht mehr passiert ist,....Sie hätten echte Probleme bekommen, wenn sie erst morgen gefahren wären!"- als ob ich das nicht gewusst hätte-) Der Flug mit Zwischenstopp  in Johannesburg und die Ankunft  in Lusaka (der Hauptstadt Sambias) gestalteten sich komplikationslos. Das 30-Tage Visum für Sambia habe ich unerwarteterweise ohne Probleme am Flughafen erstatten können.

Nach einer Übernachtung in der Gossner Mission (eine kleine pensionsartige Unterkunft, wo meistens in einer NGO arbeitende Expatriates übernachten), einem Besuch bei dem craft market und ein paar Erledigungen ging es weiter nach Mpanshya, eine kleine ländlichen Stadt an der Great Eastern Road (ca.200km entfernt von Lusaka).

Dort befindet sich das St. Lukes Mission Hospital, einem katholischen Missionarskrankenhaus. Es gibt internistische, chirugische und gynäkologische Bettenstationen und ein sogenanntes "theatre"(= der OP). Sogar eine Wochenbettstation wurde eingerichtet (leider liegt sie anscheinend den Schwestern zu weit weg, sobald die Entbundenen dort abgelagert werden, kümmert man sich nicht mehr um sie). Die schwangeren Frauen haben die Möglichkeit, wenn der Termin immer näher rückt, in einem Gemeinschaftshaus zu wohnen und an einer Kochstelle zu kochen. Eine für Afrika sehr fortschrittliche Lösung und Überlegung, da man in vielen Fällen bis zu einem Krankenhaus oder einer Gesundenstation sehr weite Strecken zurücklegen muss. Es bietet sich hier das gesamte gynäkologische Spektrum mit Ausnahme von Wechseljahrsbeschwerden, weil das Durchschnittsalter der Frauen im Vergleich zu unseren Verhältnissen weiter unten liegt und eine solche Symptomatik deswegen eher selten vorkommt. Was sehr häufig vorkommt, sind unklare Unterbauchbeschwerden, "family planning"(Verhütung) und unerfüllter Kinderwunsch. Als ich zu Besuch war, gab es 2 Hysterektomien, 1 Tuboovarialabszess, eine Darmnekrose, einen Kaiserschnitt und eine Abrasio. Von seiten der Anästhesie hofft man immer, dass einer der Studenten oder ein medical licenciate zur Verfügung steht. Wenn man Pech hat, muss man bei einer Sectio (Kaiserschnitt) die Narkose, den Kaiserschnitt und falls es dem Kind schlecht geht, auch die Erstversorgung des Kindes durchführen(das ist bei einer dringlichen Indikation natürlich nicht sehr angenehm). Man hat je nach Operation die Möglichkeit einer Ketaminnarkose oder einer Spinalanästhesie. Hier durfte ich meine ersten Spinalanästhesien durchführen. Bei der einzigen Sectio, bei der ich die Narkose übernahm, wurde mir der Mangel an Arbeitskräften bewusst, und da waren wir mit einem Operateur, einem Assistenten (dem Medical licenciate) und mir an der anderen Seite des Tuches eigentlich ganz gut bestückt. Auf der einen Seite war da die 17 jährige Schwangere, die introperativ hypoton wurde und man außer der Möglichkeit viel Flüssigkeit zu geben wenig bis keine Möglichkeiten hat, zu beobachten, auf der anderen Seite fiel mir auf, dass das Baby trotz dem anfangs kräftigem Schreien nach übertrieben langer (anscheinend tiefer)  Absaugung der Hebamme (die hat gefühlte 5 Minuten reingesaugt,..), plötzlich ganz still wurde. Um ehrlich zu sein, hab ich mich zuerst zu sehr auf die Hebamme verlassen, da ich dachte, dass sie erfahren sei und wisse, was sie tut. Dann bin ich aber stutzig geworden und hingegangen, um zu sehen was los sei,weil es plötzlich so still geworden war- Kind kreidebleich, Nabelpuls bei 60 (sollte mindestens das doppelte haben) und ohne Tonus und Bewegung(die Hebamme hat mir aber nicht gesagt, dass da irgendwas nicht stimmt, das muss man hier schon selber bemerken).  Um das Kind vor weiteren Absaugattacken der Hebamme zu beschützen, habe ich gemeint, wir müssen zur Reaeinheit und habe dem Kind den Ambubeutel aufgesetzt (die Hebamme hat tatsächlich noch immer mit dem Sauger am Ambubeutel angeklopft). Nach ein paarmal Pumpen ist der Puls  wieder hochgekraxelt und es hat wieder Laute von sich gegeben und nach einiger Zeit zu schreien angefangen. Ich habe der Hebamme dann Absaugverbot bei diesem Kind gegeben, die hat das Kind fast bis zum Herzstillstand abgesaugt, ohne zu merken, dass etwas nicht stimmt.

Das ist aber ein typisches Problem hier (aber auch in Mosambik): sobald man hier die Möglichkeit hat, etwas zu unternehmen und zu behandeln, wird es bis zum Exzess betrieben, ohne sich über die weiteren Konsequenzen Gedanken zu machen.

Ein anderer Fall hat mich auch sehr berührt: ein 15 jähriges Mädchen mit einem riesigen Unterbauchtumor, der schon in den Darm und ins Retroperitoneum infiltrierte (=ist in Richtung Nieren gewachsen), d.h. ein Palliativfall. Sie musste, als ich hier war, ein zweites Mal operiert werden, weil sich eine Darmnekrose postoperativ nach der Tumorteilresektion enwickelt hatte. Sie hat vor der Operation immer wieder meine Hand angreifen und halten wollen. Am Tag der Operation hat sie mir am OP-Tisch, bevor das OP- Personal eingetroffen war, viele Sachen von sich und ihrer Familie erzählt, und dass sie eine Freundin in der Schule habe, die auch Nora heisst. Irgendwie glaube ich, dass manche Menschen unterbewusst spüren, dass sie sterben werden. In der Nacht nach der Darmverlagerung ist sie gestorben.


Man hört und sieht auch Fälle, die es bei uns nie gibt oder geben wird: eine schwangere Frau, die überwacht werden musste, weil sie von einer Giftschlange in das Bein gebissen wurde. Das muss einer der schlimmsten Schmerzen sein, die man sich vorstellen kann. Nach Ruhestellung des Beines, Kortison und Schmerzmittelgabe wurde es tatsächlich besser. Gegengift wird anscheinend nur in ganz seltenen Fällen verabreicht.

Eine andere Frau wurde einmal beim Wäsche waschen von einem Krokodil attackiert. Das Krokodil biss  in einen Arm, dann wurde die Frau aufgrund der Gewalteinwirkung kopfüber nach vorne gerissen und das Baby, das sie hinten am Rücken gebunden hatte, fiel über ihren Kopf Richtung Fluss, quasi dem Krokodil ins Maul. Dann war das Krokodil zufrieden und konnte das Baby fressen. Die Frau hatte nur deshalb eine Überlebenschance. Die Dorfbewohner oder der traditionelle Heiler hatte/n ihr dann noch Kuhsch.... auf den Arm gerieben zur besseren Heilung. Man kann sich ausmalen, wie diese abgebissene Stelle ausgesehen haben muss (musste natürlich danach durch eine ordentliche Amputation versorgt werden). Es grenzt an ein Wunder, dass diese Frau mit einer neuen Schwangerschaft und anscheinend gut verheiltem Amputationsstumpf zur Kontrolle kam.

Viele Patientinnen wissen natürlich das Schwangerschaftsalter nicht. Es kommt auch regelmäßig vor, dass ältere Patienten das eigene Alter nicht wissen. Beides verkompliziert die Angelegenheit, vor allem, wenn man nur wenig  diagnostische Möglichkeiten hat. Als ich da war, funktionierte das Ultraschallgerät nicht, also musste man sich vorwiegend auf den klinischen Untersuchungsbefund verlassen. Für die Überwachung der Schwangerschaft gab es sogar ein CTG (das aber vom Personal eher ungern eingesetzt wurde, weil man es vielleicht nie gelernt hatte) und für die früheren Wochen ein einfaches Dopplergerät, mit dem man die Herztöne feststellen konnte.

In diesem Krankenhaus konnte ich 2 Wochen zusehen und mithelfen. Unterkunft bekam ich im Haus meines ehemaligen Kollegens aus Hamburg, ein sehr großes Haus für hiesige Verhältnisse mit Küche, Wohnzimmer, Bad, Schlafzimmer und einem Gästezimmer. Außerdem gab es einen schönen Garten mit Mango,- und Papayabäumen, einer Hängematte und einem Hühnergerüst mit einer Henne, deren Küken zum selbigen Zeitpunkt geschlüpft waren.

In Mpanshya gab es noch andere Expatriates, vor allem Schweizer, die auch ihren Beitrag in dieser kleinen Gemeinschaft leisten wollten. Eine Kinderkrankenschwester, die im Bereich der Ernährungsberatung tätig war und ein Schreiner, der den Ansässigen die Tischlerei näherbrachte. Die benachbarte Schweizer Familie hatte sich einen eigenen Brotbackofen gebaut und uns ab und zu mit einem frischen, warmen Brot versorgt.

An einem Sonntag bin ich sogar in die Kirche mitgegangen. Sie wurde zwar in der lokalen Sprache abgehalten (mit 1-2 Geschichten/Episoden auf Englisch), war es aber absolut wert. Sowas muss man dort gesehen haben. Die Kirche war von vorne bis hinten voll. Die Art wie die Leute singen, ist sehr schön und voller Energie (am liebsten wäre mir gewesen, sie hätten die ganze Zeit durchgesungen,…wirklich sehr musikalische Leute)- die Predigt, Kommunion und sonst üblichen Abläufe bei der Messe sind unserer Messe ähnlich.

In einem Ort unweit von Mpanshya (Rufunsa) wird alle 2 Wochen eine family planning- Sprechstunde durchgeführt. Es wird von Pille, 3- Monatsspritze und Implanon alles verteilt und injiziert. Das wird vom St. Luke´s Mission Hospital anscheinend stillschweigend hingenommen und akzeptiert. Der Pfarrer, der im Krankenhaus ab und zu mit weißem Mantel herumgelaufen ist und mitgeholfen hat, hat gemeint, dass das zu der heutigen Zeit dazugehört. 

Am letzten Freitag fuhren wir nach Tchongwe, einem kleinen Distriktkrankenhaus kurz vor Lusaka, wo eine Sprechstunde für die Frauen im Umkreis gehalten wurde. Am Ende des Tages führten wir am Gynstuhl in Ketaminnarkose und Handytaschenlampenbeleuchtung eine Abrasio durch. Das war ein kleines Abenteuer, hat aber trotz der Umstände ganz gut funktioniert.
Fortsetzung Teil 2

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